Freitag, 13. Dezember 2013

Uni Göteborg - ein Studentenparadies



Soooo, nun kommt der lange versprochene Uni-Post. Eigentlich bin ich ja zum Studieren hier. Man sagt über das Erasmus-Leben ja, dass es ein recht entspanntes sei. Nun, bisher hatte ich auch von uns Erasmus-Studenten noch das entspannteste. Ohne es zu ahnen, hatte ich Kurse gewählt, die so gar nicht typisch schwedisch sind. Typisch schwedisch, das wäre einen Kurs drei- bis viermal die Woche, einen Monat lang, zum Abschluss eine Prüfung. Fertig, nächster Monat, nächster Kurs. So muss man nicht für viele verschiedene Kurse in vielen verschiedenen Fächern parallel arbeiten. Eigentlich ein Modell, dass ich gerne einmal ausprobiert hätte, auch wenn es sehr arbeitsintensiv  sein kann, wie ich so am Rande von Freunden mitbekomme.
Meine Kurse – ein Geschichtskurs über Wikinger und ein Schwedischkurs für Nicht-Muttersprachler  hingegen finden nur einmal pro Woche (der Schwedischkurs sogar nur alle zwei Wochen) statt. Anwesenheitspflicht gibt es nur zu bestimmten Terminen. Zum Beispiel, wenn ein Roman, der gelesen werden sollte und der klausurrelevant ist, besprochen wird. In meinen arbeitsintensivsten Wochen bin ich also montags von 13-15h und dienstags von 18-20.30h in der Uni. Und wenn man da so selten sein muss, freut man sich sogar fast darauf, hinzugehen, habe ich festgestellt.
Dafür ist es hier üblich, viel mehr und selbstständiger zu Hause zu arbeiten. Weder Pflichtlektüre noch Hausaufgaben werden im Kurs besprochen. Dafür werden die Lösungen online zur Verfügung gestellt. Überhaupt läuft vieles über die Lernplattform der Uni. Wenn man an das Kieler Wirrwarr aus OLAT, Moodle ÄdL und Moodle NdL gewöhnt ist, funktioniert dieser technische Kram hier erstaunlich reibungslos. Eine Plattform für alle, alle Dozenten nutzen sie, alle Materialien sind pünktlich online, es gibt funktionierende Nachrichtenfunktionen und auch die Uni-Mail ist integriert – perfekt! Vermutlich ist das für die meisten von euch keine Offenbarung, aber ich war beeindruckt!
Die Dozenten sind ausnahmslos sehr freundlich und hilfsbereit und egal ob persönlich oder per Mail stets für Fragen offen. Besonders im Schwedischkurs ist die Lernatmosphäre eine ganz besondere.  Der Schwerpunkt des Kurses liegt auf schwedischer Literatur, was bedeutet, dass wir zu nahezu jeder Stunde einen Text oder ein Buch lesen und dann besprechen. Weil viele der Kursteilnehmer erwachsene Einwanderer sind, die schon seit einigen Jahren in Schweden leben, geht es nicht schulähnlich zu. Gemeldet wird sich fast nie und trotzdem kommt jeder zu Wort, weil unsere Dozentin Camilla das Geschehen geschickt zu lenken weiß und eine sehr entspannte Atmosphäre schafft. So war es selbstverständlich, dass ein junger Däne seinen Sohn mitbringen durfte, der während Papa Schwedisch lernte auf dem Laptop mit Kopfhörern Disney-Filme gucken durfte und ab und zu vergnügt aufquietschte. Und als wir einmal die Hausaufgabe hatten, einen schwedischen Krimi zu sehen, ließ Camilla folgende Ausrede mit einem Schmunzeln gelten: „Ich habe den Film, den ich mir ausgesucht habe, aufgenommen. Aber ich konnte ihn nicht gucken, weil mein Mann verreist ist und ich mich alleine nicht traue.“
Auch außerhalb der Unterrichtsräume gibt es einige Unterschiede zu Deutschland. Der wohl gravierendste ist die fehlende Mensa-Kultur, was wohl hauptsächlich daran liegt, dass die Schweden es lieben, ihr eigenes Essen überall mit hin zu nehmen. Egal ob zum Picknick auf die Schären oder in die Uni. Es gibt zwar eine Cafeteria, die mittags eine Art Essensausgabe hat, aber die längste Schlange ist stets vor dem Mikrowellentisch, wo zehn Mikrowellen zur kostenlosen Benutzung bereitstehen und mindestens zehnmal so viele Schweden ihr Mittagessen aufwärmen wollen. Ein lustiger Anblick, an den man sich aber schnell gewöhnt.
Überhaupt ist hier vieles einfacher, praktischer und weniger reglementiert als zu Hause. Plant man einen Lerntag in der Bibliothek, nimmt man selbstverständlich etwas zu Essen mit und macht es sich in einem Sessel oder auf einem der Sofas bequem. Falls man den eigenen Hunger unterschätzt hat, gibt es auch einen Snack-Automaten. Im Lesesaal ist es völlig in Ordnung, wenn man vergessen hat, sein Handy lautlos zu stellen oder man sich in normaler Gesprächslautstärke unterhält. Kein Vergleich zur Uni-Bib in Kiel, wo man sich nicht einmal traut, zu husten. Und trotzdem herrscht eine gute Arbeitsatmosphäre. Niemand würde auf die Idee kommen, laut Musik zu hören oder seinen Platz rücksichtslos vollzukrümeln. Und das ganz ohne „Bitte Ruhe!“-Schilder und Essverbot.
Weiterhin positiv aufgefallen ist mir die technische Ausstattung der Unterrichtsräume. In jedem gibt es einen funktionierenden Computer, einen Beamer und eine Projektionsfläche. Und das Erstaunliche ist: Jeder Dozent, auch die Archäologin der Kategorie Ü60, kann diese Geräte problemlos rechtzeitig zu Unterrichtsbeginn zum Laufen bringen.
Das alles sind eigentlich Selbstverständlichkeiten. Was mich aber sehr beeindruckt hat, sind die vielfältigen Angebote für uns Austauschstudenten. So gibt es "Nachhilfelehrer", an die man sich wenden kann, wenn man einen englisch- oder schwedischsprachigen Aufsatz schreiben muss. Egal, ob man mit ihnen kontinuierlich an Gramatik und Ausdrucksvermögen arbeiten will oder nur in letzter Not vor der Abgabe den Text durchgehen möchte, man ist kostenlos willkommen. 
Und dann ist da noch das Schwedisch-Sprachlabor, wo man seine Aussprache verbessern oder perfektionieren kann. Man liest einer Dozentin verschiedene Sätze und Wörter vor und sie wertet aus, wo man Verbesserungsbedarf hat. Danach übt man eigenständig am Computer mit einem wirklich lehrreichen Ausspracheprogramm und kann kommen und gehen so oft und wann immer man möchte.

Mein Uni-Fazit also: Ein Studentenparadies! Das ist natürlich die etwas verklärte Erasmus-Sicht, aber es scheint hier wirklich viel freier und entspannter zuzugehen als zu Hause.

Der Campus "Seerose" mit der Humanistischen Fakultät und der Hum-Bib

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