Soooo, nun kommt der lange versprochene Uni-Post.
Eigentlich bin ich ja zum Studieren hier. Man sagt über das Erasmus-Leben ja,
dass es ein recht entspanntes sei. Nun, bisher hatte ich auch von uns
Erasmus-Studenten noch das entspannteste. Ohne es zu ahnen, hatte ich Kurse gewählt,
die so gar nicht typisch schwedisch sind. Typisch schwedisch, das wäre einen
Kurs drei- bis viermal die Woche, einen Monat lang, zum Abschluss eine Prüfung.
Fertig, nächster Monat, nächster Kurs. So muss man nicht für viele verschiedene
Kurse in vielen verschiedenen Fächern parallel arbeiten. Eigentlich ein Modell,
dass ich gerne einmal ausprobiert hätte, auch wenn es sehr arbeitsintensiv sein kann, wie ich so am Rande von Freunden
mitbekomme.
Meine Kurse – ein Geschichtskurs über Wikinger und
ein Schwedischkurs für Nicht-Muttersprachler
hingegen finden nur einmal pro Woche (der Schwedischkurs sogar nur alle
zwei Wochen) statt. Anwesenheitspflicht gibt es nur zu bestimmten Terminen. Zum
Beispiel, wenn ein Roman, der gelesen werden sollte und der klausurrelevant
ist, besprochen wird. In meinen arbeitsintensivsten Wochen bin ich also montags
von 13-15h und dienstags von 18-20.30h in der Uni. Und wenn man da so selten
sein muss, freut man sich sogar fast darauf, hinzugehen, habe ich festgestellt.
Dafür ist es hier üblich, viel mehr und
selbstständiger zu Hause zu arbeiten. Weder Pflichtlektüre noch Hausaufgaben
werden im Kurs besprochen. Dafür werden die Lösungen online zur Verfügung
gestellt. Überhaupt läuft vieles über die Lernplattform der Uni. Wenn man an
das Kieler Wirrwarr aus OLAT, Moodle ÄdL und Moodle NdL gewöhnt ist,
funktioniert dieser technische Kram hier erstaunlich reibungslos.
Eine Plattform für alle, alle Dozenten nutzen sie, alle Materialien sind
pünktlich online, es gibt funktionierende Nachrichtenfunktionen und auch die
Uni-Mail ist integriert – perfekt! Vermutlich ist das für die meisten von euch
keine Offenbarung, aber ich war beeindruckt!
Die Dozenten sind ausnahmslos sehr freundlich und
hilfsbereit und egal ob persönlich oder per Mail stets für Fragen offen.
Besonders im Schwedischkurs ist die Lernatmosphäre eine ganz besondere. Der Schwerpunkt des Kurses liegt auf
schwedischer Literatur, was bedeutet, dass wir zu nahezu jeder Stunde einen
Text oder ein Buch lesen und dann besprechen. Weil viele der Kursteilnehmer
erwachsene Einwanderer sind, die schon seit einigen Jahren in Schweden leben,
geht es nicht schulähnlich zu. Gemeldet wird sich fast nie und trotzdem kommt
jeder zu Wort, weil unsere Dozentin Camilla das Geschehen geschickt zu lenken
weiß und eine sehr entspannte Atmosphäre schafft. So war es selbstverständlich,
dass ein junger Däne seinen Sohn mitbringen durfte, der während Papa Schwedisch
lernte auf dem Laptop mit Kopfhörern Disney-Filme gucken durfte und ab und zu
vergnügt aufquietschte. Und als wir einmal die Hausaufgabe hatten, einen
schwedischen Krimi zu sehen, ließ Camilla folgende Ausrede mit einem Schmunzeln
gelten: „Ich habe den Film, den ich mir ausgesucht habe, aufgenommen. Aber ich
konnte ihn nicht gucken, weil mein Mann verreist ist und ich mich alleine nicht
traue.“
Auch außerhalb der Unterrichtsräume gibt es einige
Unterschiede zu Deutschland. Der wohl gravierendste ist die fehlende
Mensa-Kultur, was wohl hauptsächlich daran liegt, dass die Schweden es lieben,
ihr eigenes Essen überall mit hin zu nehmen. Egal ob zum Picknick auf die
Schären oder in die Uni. Es gibt zwar eine Cafeteria, die mittags eine Art
Essensausgabe hat, aber die längste Schlange ist stets vor dem
Mikrowellentisch, wo zehn Mikrowellen zur kostenlosen Benutzung bereitstehen
und mindestens zehnmal so viele Schweden ihr Mittagessen aufwärmen wollen. Ein
lustiger Anblick, an den man sich aber schnell gewöhnt.
Überhaupt ist hier vieles einfacher, praktischer
und weniger reglementiert als zu Hause. Plant man einen Lerntag in der
Bibliothek, nimmt man selbstverständlich etwas zu Essen mit und macht es sich
in einem Sessel oder auf einem der Sofas bequem. Falls man den eigenen Hunger
unterschätzt hat, gibt es auch einen Snack-Automaten. Im Lesesaal ist es völlig
in Ordnung, wenn man vergessen hat, sein Handy lautlos zu stellen oder man sich
in normaler Gesprächslautstärke unterhält. Kein Vergleich zur Uni-Bib in Kiel,
wo man sich nicht einmal traut, zu husten. Und trotzdem herrscht eine gute
Arbeitsatmosphäre. Niemand würde auf die Idee kommen, laut Musik zu hören oder
seinen Platz rücksichtslos vollzukrümeln. Und das ganz ohne „Bitte Ruhe!“-Schilder
und Essverbot.
Weiterhin positiv aufgefallen ist mir die technische Ausstattung der Unterrichtsräume. In jedem gibt es einen funktionierenden Computer, einen Beamer und eine Projektionsfläche. Und das Erstaunliche ist: Jeder Dozent, auch die Archäologin der Kategorie Ü60, kann diese Geräte problemlos rechtzeitig zu Unterrichtsbeginn zum Laufen bringen.
Das alles sind eigentlich Selbstverständlichkeiten. Was mich aber sehr beeindruckt hat, sind die vielfältigen Angebote für uns Austauschstudenten. So gibt es "Nachhilfelehrer", an die man sich wenden kann, wenn man einen englisch- oder schwedischsprachigen Aufsatz schreiben muss. Egal, ob man mit ihnen kontinuierlich an Gramatik und Ausdrucksvermögen arbeiten will oder nur in letzter Not vor der Abgabe den Text durchgehen möchte, man ist kostenlos willkommen.
Und dann ist da noch das Schwedisch-Sprachlabor, wo man seine Aussprache verbessern oder perfektionieren kann. Man liest einer Dozentin verschiedene Sätze und Wörter vor und sie wertet aus, wo man Verbesserungsbedarf hat. Danach übt man eigenständig am Computer mit einem wirklich lehrreichen Ausspracheprogramm und kann kommen und gehen so oft und wann immer man möchte.
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